2018-05-09

Die Rolle des Juristen im demokratischen Rechtsstaat

Vortrag von Dr. Jürgen Harbich,
Ehrendoktor der Mongolischen Staatsuniversität,
Träger der Freundschaftsmedaille der Mongolei,
Vorstand der Bayerischen Verwaltungsschule a.D.
Ulaanbaatar, 18. Mai 2018

Die Menschen in der Mongolei leben  –  ebenso wie wir in Deutschland  –  in einem Staat, der sich zu Demokratie, Gewaltenteilung und Grundrechten bekennt. Wir leben in einem demokratischen Rechtsstaat, wir leben im modernen Verfassungsstaat. Das war in der Mongolei und in meinem Land nicht immer so. Im vergangenen Jahrhundert machten wir in Deutschland und große Teile der Welt bitterste Erfahrungen, als  –  ausgehend vom deutschen Boden  –  die Werte des demokratischen Rechtsstaates mit Füßen getreten wurden. Wir wissen, dass der demokratische Rechtsstaat nicht vom Himmel fällt, sondern ein hohes Gut ist, das zu erringen Kraft kostet; und wir haben keine Garantie, dass uns dieses Gut auf immer und ewig erhalten bleibt.

Der Früchte des demokratischen Rechtsstaates können wir uns nur dann erfreuen, wenn wir uns für diesen Staat einsetzen mit allen Kräften, die wir haben. Rufen wir uns in Erinnerung, was zu diesen Früchten gehört:

Es sind die Menschenrechte, die in unseren Verfassungen verankert sind, die Gleichheit der Menschen vor dem Gesetz, insbesondere die Gleichberechtigung von Mann und Frau, die Religionsfreiheit, die Meinungsäußerungsfreiheit, die Freiheit der Wissenschaft, das demokratische Wahlrecht, die Gewaltenteilung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, das Willkürverbot, das Recht auf gerichtlichen Rechtsschutz und die Unabhängigkeit der Richter; und nicht zu vergessen: die Verfassungsgerichtsbarkeit als Krone des Rechtsstaates.  Das sind ohne Zweifel hohe Werte!

Jeder Mann, jede Frau ist aufgerufen, sich für den Erhalt dieser Werte einzusetzen. Vor allem werfen wir einen Blick auf die drei Staatsgewalten:

I. Das Parlament

Das vom Volk gewählte Parlament erlässt Gesetze, die das Land rechtspolitisch, wirtschaftlich, sozial gestalten, modernisieren, stabilisieren. Die Gesetze setzen einen Rahmen für das Handeln des Individuums, der privatrechtlichen Organisationen, der Nichtregierungsorganisationen (NGO), der Wirtschaftsbetriebe ebenso wie für das Handeln der Exekutive; und auch die Normen für die gerichtlichen Verfahren finden wir in den Gesetzen.

Das Parlament hat beim Erlass der Gesetze einen Spielraum, in dessen Rahmen die politischen Kräfte Akzente setzen. Das ist legitim, solange es legal ist. Das heißt: Auch das Parlament muss seine Kompetenzen im Rahmen des Rechts, d. h. im Rahmen der Verfassung, ausüben. Für Verfahren und Inhalt seiner Entscheidungen gibt es verfassungsmäßige Schranken. Rechte der Parlamentsminderheit sind zu respektieren, Grundrechte sind zu achten, Willkür ist auszuschließen. Wir wissen, dass Entscheidungsträger  –  in allen Ländern  –  diese Prinzipien hin und wieder aus den Augen verlieren. Dann heißt es: wachsam zu sein. Häufig werden sich Konflikte nicht vermeiden lassen. Zwar haben sich Mitglieder einer Organisation nach innen und außen loyal zu verhalten. Doch wenn sich eine Organisation auf rechtswidriges Gefilde begibt, verliert sie bei ihren Mitgliedern den Anspruch auf Loyalität. Man muss es als selbstverständlich ansehen, dass jedes Mitglied des Parlaments verpflichtet ist, darauf hinzuwirken, dass die Normen der Verfassung eingehalten und mit Leben erfüllt werden, dass Demokratie, Freiheit und Gerechtigkeit das Leben der Menschen spürbar prägen. Für einen Juristen im Parlament gilt diese Pflicht im besonderen Maße, unabhängig davon, ob er der Regierungspartei oder einer Oppositionspartei angehört. Das Ethos des Juristen verlangt Widerstand auch gegenüber höheren Autoritäten.

In der Europäischen Union haben wir heute eine lebhafte Rechtsstaatsdiskussion. In nicht nur einem Mitgliedstaat erleben wir seit einigen Jahren, dass sich Parlamentsmehrheiten über Barrieren der Verfassung hinwegsetzen, über Barrieren des Rechtsstaatsprinzips, die bisher als stabile Bollwerke allseits anerkannt waren. Werden die für den Rechtsbruch Verantwortlichen zur Rede gestellt, versuchen sie, sich mit dem Hinweis auf die ihnen vom Volk gewährte parlamentarische Mehrheit zu rechtfertigen. Diesem Argument ist mit Nachdruck entgegenzutreten. Der moderne Verfassungsstaat ist nicht nur durch demokratische Prinzipien charakterisiert. Ebenso prägen ihn ganz wesentlich rechtsstaatliche Elemente, zu denen Gerichte und die Respektierung der Menschenrechte gehören; und der Rechtsstaat verlangt ohne jede Ausnahme, dass die Hoheitsträger auf allen Ebenen  –  und das Parlament an erster Stelle  –  Recht und Gesetz achten.

II. Die Exekutive

Wenden wir uns der Exekutive zu, d. h. der Regierung mit allen nachgeordneten Behörden.

Regierungen haben ein Programm, das sie zu realisieren beabsichtigen. Sie wollen am Ende ihrer Amtsperiode Erfolge präsentieren, damit sie von den Wählern erneut einen Regierungsauftrag erhalten. Bei der Verfolgung ihrer Ziele kommt es auch in stabilen demokratischen Rechtsstaaten vor, dass Regierungen rechtliche Schranken aus den Augen verlieren. Das geschieht nicht immer böswillig. Wie auch immer: Der Jurist hat wachsam zu sein. Das mag der Jurist in der Regierung sein, das mag der juristische Berater eines Ministers sein. Er muss aktiv werden und sich zu Wort melden. Zwar ist es auch Aufgabe der Politik, das Recht zu gestalten und das Recht zu ändern. Doch diese Prozesse finden nicht im rechtsleeren Raum statt. Im modernen Verfassungsstaat sind  –  im Gegensatz zu absoluten Monarchien und diktatorischen Systemen  –  auch die politischen Kräfte durch das Recht gebändigt. Wir sehen darin einen großen Fortschritt in der Rechtsentwicklung. Die Bindung an das vom Staat gesetzte Recht gilt für die Spitze der Exekutive bis zur untersten Verwaltungsbehörde. Das ist eine Selbstverständlichkeit; so lehrt es uns die Theorie. Doch wir kennen das Problem der Praxis: Alle Rechtsordnungen tragen den Virus in sich, dass Gesetze im Gesetzblatt und im Vollzug auseinander fallen können. Auch in Rechtsstaaten treffen wir auf Vorgesetzte, die vom Mitarbeiter erwarten und verlangen, dem Recht zuwider zu agieren. Ohne Frage hat der Vorgesetzte das Weisungsrecht. Wie aber hat sich der Mitarbeiter zu verhalten, wenn er eine Weisung für rechtswidrig hält? Für diesen Fall mag das Beamtenrecht von Land zu Land unterschiedlich sein. Nach deutschem Recht darf der Beamte den Weisungen der Vorgesetzten nicht blindlinks folgen: Der Beamte ist gesetzlich verpflichtet, dem Vorgesetzten seine rechtlichen Bedenken vorzutragen. Da mag es zum Konflikt kommen. Doch diesem Konflikt darf der Beamte nicht ausweichen. Räumt der Beamte das Feld „kampflos“, d. h. ohne Diskussion mit Rede und Gegenrede, dann darf er bei sich die Verantwortung für zwei Niederlagen feststellen: eine Niederlage des Rechts und eine Niederlage seiner Person. Die erste ist vielleicht reparabel, die zweite nur schwer oder gar nicht. Wer als Beamter hier kein Rückgrat zeigt, wird es wohl auch künftig nicht tun. Der Vorgesetzte wird den Beamten als Spielball betrachten, und der Rechtsstaat leidet. Der deutsche Beamte hat im Konfliktfall keine Entlassung zu befürchten; denn er ist Beamter auf Lebenszeit. Eine Versetzung des Beamten ist möglich; diese ist aber immer möglich. Das hat der Beamte zu akzeptieren; anderenfalls darf er nicht in den öffentlichen Dienst eintreten. Wenn in einem Land die Rechtsstellung der Beamten schwächer ist, so dass sie im Konfliktfall ihren Arbeitsplatz verlieren können, sollten sich juristische Kräfte der Politik, der Medien und der Wissenschaft für Rechtsänderungen einsetzen, dies nicht um der Beamten willen, sondern um den Rechtsstaat zu stärken. Doch unabhängig von der Rechtslage sollte ein starker Vorgesetzter seinen Mitarbeiter ermutigen, die Meinung frei zu äußern und dem Vorgesetzten unmissverständlich zu sagen: „Ich bin anderer Meinung.“ Der vernünftige Vorgesetzte wird sich die Meinung seines Mitarbeiters anhören und nach sorgfältigem Abwägen der Argumente entscheiden. Juristen in der Behörde können diese Gesprächskultur fördern; Bildungsveranstaltungen könnten unterstützend wirken.

III. Die Judikative

Wir müssen uns immer wieder bewusst machen: Der Rechtsstaat ist kein Geschenk des Himmels, er wurde mühsam erkämpft, sein Bestand erfordert Kraft. Die Unabhängigkeit der Richter, die die mongolische Verfassung (Art. 49 Abs. 1) ebenso garantiert wie das deutsche Grundgesetz (Art. 97 Abs. 1), betrachten wir als den Schlussstein der rechtsstaatlichen Entwicklung und die von beiden Verfassungen eingesetzte Verfassungsgerichtsbarkeit als Krönung des Rechtsstaates.

Lassen Sie mich in Erinnerung rufen, was die Judikative von der Exekutive unterscheidet. Die Exekutive verfolgt bestimmte Ziele: Sie fördert die Entwicklung des Landes, sie setzt Akzente für eine bessere Infrastruktur, sie sorgt für die Reinhaltung der Luft, sie setzt sich für eine bessere Schulbildung ein, sie stärkt Forschung und Lehre an den Universitäten. Das alles ist legitim, solange die Mittel legal sind. Es ist eine allgemeine Erfahrung, dass die Exekutive bei der Verfolgung ihrer Ziele das Recht hin und wieder aus den Augen verliert. Dieser Konflikt mit dem Recht macht eine rechtsstaatliche Korrektur notwendig. Im modernen Verfassungsstaat obliegt diese Korrektur der unabhängigen Justiz. Im Gegensatz zur Exekutive verfolgen die Gerichte keine besonderen Ziele; sie haben kein bestimmtes Interesse am Ausgang des Prozesses. Sie dürfen keine Rücksicht darauf nehmen, ob der Kläger oder der Beklagte einen Prozess gewinnt. Alle Gerichte, von der untersten Instanz bis zum Verfassungsgericht, haben als neutrale Instanz nur ein Interesse: das Verfahren gesetzmäßig und fair durchzuführen und ein Urteil zu fällen, das dem Gesetz entspricht. Diese Aufgabe können Gerichte nur erfüllen, wenn sie unabhängig agieren können.

Die Erfahrung lehrt, dass sich Verfassungsorgane auch im demokratischen Rechtsstaat hin und wieder auf Wege außerhalb der verfassungsrechtlichen Normen begeben. Aufgabe des Verfassungsgerichts ist es dann, die Verfassungsorgane wieder in die verfassungsrechtliche Spur zu bewegen. In Deutschland erleben wir das immer wieder. Verfassungsgerichtliche Entscheidungen dieser Art müssen in jedem Fall von allen staatlichen und gesellschaftlichen Kräften akzeptiert werden. Ich erinnere daran, dass eine Verfassung ohne Verfassungsgerichtsbarkeit einem Löwen ohne Zähne ähnlich ist.

Jedermann, staatliche Instanzen im besonderen, aber auch gesellschaftliche Kräfte haben die Unabhängigkeit der Richter zu respektieren. Ein Eingriff in diese Unabhängigkeit ist ein Angriff auf den Rechtsstaat. Doch auch im 21. Jahrhundert erleben wir, dass der Präsident eines europäischen Landes im Fernsehen ankündigt, dass ein laufender Strafprozess mit einer hohen Strafe für die Angeklagten zu enden hat. Dieser Präsident erfährt keine Kritik im eigenen Land, und die Richter folgen seiner Erwartung. Da fällt es nicht schwer, sich ein Bild über die freiheitlichen Defizite dieses Landes zu machen.

Schon im antiken Griechenland, also vor mehr als 2000 Jahren, sahen die Bürger in der Unabhängigkeit der Richter einen wichtigen Garanten für ihre Freiheit. Auch heute gilt:

Die richterliche Unabhängigkeit ist kein Selbstzweck; sie ist kein persönliches Vorrecht des Richters; sie dient der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege. Jeder Eingriff in die Unabhängigkeit der Richter, wie z. B. die Androhung oder gar Versetzung eines unliebsamen Richters gegen dessen Willen, ist anzuprangern und zu verurteilen. Auf diesem Feld ist die Wachsamkeit jedes Bürgers gefordert, die des Juristen in besonderem Maße. In solchen Fällen dürfen Wissende nicht schweigen; denn es gilt, den Anfängen zu wehren.

Eine besondere Aufgabe obliegt den Verwaltungsgerichten. Sie gewähren den Bürgern Rechtsschutz gegen Akte der Verwaltung. Es gehört zur Normalität des demokratischen Rechtsstaates, dass Verwaltungsgerichte die Exekutive korrigieren: Da mag es hin und wieder um die Klärung rechtlicher Zweifelsfragen gehen; doch manches Mal werden Verwaltungsgerichte rechtswidrige Praktiken der Exekutive offenlegen und abstellen müssen. Wenn die Exekutive die Anhörungspflicht verletzt, wenn die Exekutive der Pflicht, ihre Entscheidung ordentlich zu begründen, nicht nachkommt, dürfen die Verwaltungsgerichte keine Nachsicht üben; denn zum rechtmäßigen Verwaltungshandeln gibt es für die Exekutive keine Alternative. Wir sprechen in Deutschland davon, dass die Verwaltungsgerichte insofern auch eine erzieherische Aufgabe zu erfüllen haben. Wenn der Verwaltungsbeamte zögert und nochmals prüft, ob die Voraussetzungen für den Erlass eines belastenden Verwaltungsakts vorliegen, ist rechtsstaatlich viel gewonnen.

Ohne Frage ist die rechtsprechende Gewalt ein gewichtiger Faktor im Staatsgefüge. Doch eine starke Gerichtsbarkeit, auch eine starke Verfassungsgerichtsbarkeit hat noch keinem Land geschadet, unkontrollierte Macht dagegen sehr wohl.

In Deutschland genießen die Richter in Staat und Gesellschaft hohes Ansehen. Das mag viele Gründe haben: Vielleicht ist noch ein Abglanz der mittelalterlichen Auffassung zu erkennen, „die den Richter als Statthalter Gottes auf Erden ansah“ (Fritjof Haft, Aus der Waagschale der Justiz, 3. Auflage, 2001, S. 6). Die staatlichen und gesellschaftlichen Kräfte in Deutschland sehen im Bundesverfassungsgericht einen allseits anerkannten Hüter der Verfassung.

Lassen Sie mich noch ein aktuelles Beispiel aus der Europäischen Union erwähnen: Es geht um einen spanischen Politiker, der in Deutschland auf Grund eines von der spanischen Justiz ausgestellten Europäischen Haftbefehls verhaftet wurde. Die spanische Justiz wirft dem Politiker wegen separatistischer Aktionen Rebellion vor, die nach spanischem Recht mit 30 Jahren Freiheitsentzug bestraft werden kann. Das zuständige deutsche Gericht (Oberlandesgericht Schleswig) hat die Auslieferung abgelehnt, weil Rebellion (= Hochverrat) nach deutschem Recht nur bestraft werden kann, wenn der Separatist zur Gewalt greift; das treffe aber im konkreten Fall nicht zu. Der spanische Ministerpräsident zeigte sich  –  vorsichtig ausgedrückt  –  enttäuscht von der Entscheidung des deutschen Gerichts. Doch der Justizminister Spaniens Rafael Catalá erklärte: „Die Regierung hat immer Gerichtsentscheidungen respektiert, ob sie ihr gefallen oder nicht.“ Diese Erklärung halte ich für vorbildlich für einen Politiker in einem demokratischen Rechtsstaat. So hat sich jeder Politiker in einem demokratischen Rechtsstaat zu verhalten.

IV. Medien, Rechtsanwälte, Juristenverbände,  Wissenschaft

Wächter für den Bestand des Rechtsstaates sehen wir auch in den Medien, in den Reihen der Anwaltschaft, in Juristenverbänden und in der Wissenschaft.

1) Medien

Presse, Rundfunk und Fernsehen haben im demokratischen Rechtsstaat auch die Aufgabe, die Akteure der staatlichen Autoritäten zu beobachten und rechtswidriges Handeln offenzulegen. Erfahrungen in Deutschland lehren, dass diese Arbeit der vierten Gewalt, wie die Medien oft genannt werden, nicht ohne Wirkung bleibt.

2) Rechtsanwälte

Der Rechtsanwalt ist, anders ausgedrückt, ein Anwalt des Rechts. Ein deutsches Gesetz nennt ihn ein Organ der Rechtspflege. Der Rechtsanwalt nimmt die Interessen seines Mandanten wahr in zivilrechtlichen Angelegenheiten, er verteidigt Angeklagte im Strafprozess und vertritt seinen Mandanten im Verwaltungsverfahren und vor dem Verwaltungsgericht. Die Arbeit des Rechtsanwalts mag manches Mal mühsam sein. Doch sein Kampf um das Recht des Einzelnen wirkt weit darüber hinaus: Der Rechtsanwalt trägt bei zur Mäßigung der staatlichen Gewalt und bewirkt darüber hinaus, dass die Gerichte mit ihren Urteilen rechtliche Zweifel bei der Auslegung und Anwendung der Gesetze über den Einzelfall hinaus klären, dadurch die Rechtssicherheit fördern und die Stabilität des Rechtsstaates festigen.

3) Juristenverbände

Auch ein Juristenverband kann im demokratischen Rechtsstaat die Funktion eines Wächters übernehmen. Wenn er als unabhängige Organisation nicht eigene Interessen wahrnimmt, kann er staatliches Unrecht ansprechen und wird Gehör finden, wenn er seriös agiert.

4) Die Wissenschaft

Die Wissenschaft führt den juristischen Nachwuchs in die Rechtsordnung ein und macht ihn vertraut mit den Prinzipien des demokratischen Rechtsstaates. Sie vermittelt den Studenten rechtstaatliches Bewusstsein, das die jungen Juristen in ihre Berufswelt mitnehmen. Darüber hinaus können die Professoren des Rechts das Agieren von staatlichen Autoritäten durch Wort und Schrift begleiten, kritisieren und gutheißen  –  das jedoch nicht im parteipolitischen Sinn, sondern unter rechtsstaatlichen Aspekten und dadurch den Rechtsstaat stärken.

V. Schlussbemerkung

Den demokratischen Rechtsstaat zu bewahren und zu festigen, ist eine permanente Aufgabe staatlicher und gesellschaftlicher Kräfte, im besonderen Maße der Juristen des Landes. Das Recht im demokratischen Rechtsstaat dient der Freiheit und der Gerechtigkeit; es ist ein hoher Wert. Einsatz und Kampf für diesen Wert werden sich immer lohnen. Jeder Jurist möge sich zu diesem Einsatz und Kampf aufgerufen fühlen!

Lassen Sie mich schließen mit einem Wort von Thomas von Aquin, einem europäischen Philosophen aus dem 13. Jahrhundert (1225 – 1274): Wer die Wahrheit sagt, kann nicht besiegt werden, mit wem er auch streitet.